Archive for the ‘Agrarpolitik’ Category

Bauernproteste: EU-Kommission schreddert Umweltstandards in der Landwirtschaft

2. April 2024

Beitrag von Sebastian Lakner & Norbert Röder

Landwirt:innen protestieren in ganz Europa, und inzwischen hat die praktische Agrarpolitik auf die Proteste reagiert. Die Reaktion der EU-Kommission besteht darin, die Umweltstandards, die jeder Empfänger von Direktzahlungen (= Subventionen) einhalten muss, deutlich abzusenken und damit ihrer Wirkung zu berauben. Insgesamt beobachten wir spätestens seit Anfang des Jahres 2023 in Brüssel ein massives „umweltpolitisches Rollback“. Die wesentliche Veränderung besteht darin, dass seit diesem Zeitpunkt die Europäische Volkspartei (EVP), Nationalisten Rechtsextreme, sowie einige Liberale gegen jede Art von Umweltpolitik polemisieren. Zunächst blieb die von Frau von der Leyen geführte EU-Kommission auf Distanz, doch spätestens seit Jahresbeginn 2024 rudert die Kommission umweltpolitisch deutlich zurück. Die geplanten Anpassungen könnten umweltpolitisch einen Rückschritt von etwa 10-15 Jahren bedeuten, was für die Umwelt nicht folgenlos bleiben wird. Im folgenden Beitrag gehen wir auf die Gesetzesvorhaben und Anpassungen ein und versuchen, mögliche Folgen zu skizzieren.

Zu sehen ist eine Blühfläche mit zahlreichen farbigen Blüten, vor allem rote Mohnblumen, im Hintergrund hessisches Bergland.
Brache als Blühfläche 2019 bei Germerode, Landkreise Werra-Meißner, Hessen (Copyright: S.Lakner)
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What remains from the Nature Restoration Law, and what can still be saved?

24. Oktober 2023

By Sebastian Lakner & Guy Pe’er (iDiv Leipzig)

On 12 July 2023, after a long and intense debate, including a statement by many scientists (see 10.07.23) the EU Parliament voted in favour of the Nature Restoration Law (NRL) as proposed by the EU Commission (See original draft here). In many media and among some NGOs, the vote was celebrated as a great success, in light of the fear that the NRL might be rejected altogether by the Parliament. Beyond the fact that the law passed with a meagre majority (336:300) compared to broad societal support (e.g., 96% of 2,700 respondents to a Eurobarometer survey), we find it important to assess the current status of the law given the many amendments that were proposed for introduction into the law proposal, and which define the starting point of the negotiations. Hundreds of amendments were voted by the Parliament (see document with proposed changes by the EP), the content of which would imply considerable weakening of the law. The Council of environmental Ministers voted for many amendments as well (see document here).

In view of the ongoing trilogue negotiations among the Parliament, Council and the Commission, here we discuss key elements of the proposed amendments, and their implications if accepted in the final form of the NRL. We demonstrate that much is already damaged, but there is still a lot at stake: some of the proposed amendments, if accepted, could significantly weaken the NRL. We focus this blog on amendments that we feel are most critical and explore some details, how NRL was weakened through amendments, mostly by the parliaments position.

Mutterkühe bei der Bewertung des artenreichen Naturschutzgebietes Gärtnergasse, Lübeck.
Mutterkühe bei der Bewertung des artenreichen Naturschutzgebietes Gärtnergasse, Lübeck.
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Anmerkungen zur Brachen-Entscheidung des BMEL 

16. August 2022

Im folgenden Beitrag werden ich mich mit der Entscheidung des BMEL vom 06.08.2022, GLÖZ 7 (Fruchtwechsel) und GLÖZ 8 (Brachflächen) in 2023 auszusetzen, beschäftigen und der Frage nachgehen, welche Motive möglicherweise hinter der Entscheidung und hinter der strikten Ablehnung der Brachen durch Teile des Berufsstandes stecken. Meine These ist, dass wir einerseits ein fachliches Vermittlungsproblem haben. Andererseits legt die umweltpolitisch fragwürdige Entscheidung des BMEL die ganze systematische Schwäche der aktuellen GAP 2021-2027 offen. Die Direktzahlungen sind erneut der Kern des Problems. Es wäre sinnvoll, die Reformdebatte für die GAP nach 2027 jetzt zu beginnen. 

Brache vor Raps im Landkreis Göttingen
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GAP-Reform 2021: Eine vertane Chance

5. Juli 2021

Am Freitag, den 25.06.2021 haben sich Ministerrat, EU-Parlament und EU-Kommission im Rahmen des Trilogs auf die Details der GAP-Reform geeinigt. Die Inhalte der Reform sind seit Beginn des Reformprozesses im Juni 2018 in aller Breite diskutiert worden (auch hier auf dem Blog), so dass ich jetzt in einem Kommentar eine Bilanz ziehen werde, ohne in jedes Detail der Verhandlungen zu gehen. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie diese Reform mittelfristig wirkt. Wichtige Quellen und Dokumente für die Analyse und Bewertung der Reform sind der Blogbeitrag von Arc2020 (vom stets kompetenten Oliver Moore), das Kompromisspapier des Trilogs selbst sowie ein Q&A-Papier des EU-Parlaments zum Ergebnis des Trilogs. Der Kommentar spiegelt meine subjektive Meinung wider, ist insofern keine wissenschaftliche Analyse, auch wenn ich hoffe, das eine oder andere argumentativ belegen zu können.

Gerste in Ostholstein, Juli 2021
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Scheitern des GAP-Trilogs im Mai 21: Streit um die Machtarchitektur der Europäischen Union

23. Juni 2021

Das Scheitern der Trilog-Verhandlungen über die GAP-Reform 2021 Ende Mai hat zwar vordergründig inhaltliche Gründe, allerdings waren die inhaltlichen Konfliktpunkte bereits lange bekannt und bei Einigungswillen hätte man Kompromisslinien entwickeln können. Das ist nicht passiert. Im folgenden Beitrag geht es um die Haltung und den Machtanspruch des Ministerrates, die maßgeblich zum Scheitern der Trilog-Verhandlungen beigetragen haben. Zwar ist politischer Streit über solche Fragen legitim und normal, allerdings rührt der Streit Ende Mai an einigen grundsätzlichen Punkte, die auch aus europapolitisch problematisch sind und unter Umständen über die Verhandlungen hinaus die Reformfähigkeit der Europäischen Union gefährden können. Ich werde mich hierbei hauptsächlich mit dem Konflikt zwischen Ministerrat und der EU-Kommission beschäftigen, der während der Verhandlung zu Tage trat. 

EU Vize-Präsident Frans Timmermans im Gespräch mit dem EP-Agrarausschuss während des GAP-Trilogs 28.Mai 2021 (Copyright-Hinweis: © European Union 2021 – Quelle : EP)
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Über das vorläufige Scheitern der GAP-Verhandlungen

15. Juni 2021

Die Trilog-Verhandlungen in Brüssel zwischen dem Ministerrat, EU-Parlament und Kommission sind am Freitag, den 28.Mai 2021 nach drei Verhandlungstagen (und -Nächten) gescheitert. Der Rat hat die Verhandlungen abgebrochen und die portugiesische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, im Juni weiter zu sprechen. Eine Konsequenz ist allerdings schon jetzt, dass das EU-Parlament frühestens nach der Sommerpause in der Woche 13-16 September 2021 über die Reform abstimmt. Hier präsentiere ich einige erste Überlegungen, was die Gründe für dieses Scheitern sind und welche vordergründigen Konsequenzen daraus entstehen.

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AMK-Beschlüsse: Ein Schritt in die richtige Richtung?

7. April 2021

Am Freitag, den 26.03.2021 hat sich die Agrarministerkonferenz (AMK) und das BMEL auf wichtige Eckpunkte für die GAP-Reform und Grundzüge für die finanzielle Ausgestaltung geeinigt. Im folgenden Beitrag werde ich eine kurze, vorläufige Bewertung vornehmen, die im Wesentlichen auf den letzten Blogpost vom 19.03.2021 aufbaut. Grundsätzlich sind die Beschlüsse ambitionierter als noch Mitte März erwartet und die finanziellen Beschlüsse ermöglichen unter Umständen eine bessere Ausgestaltung der GAP im Hinblick auf Umweltziele. Allerdings stehen immer noch wichtige Details nicht fest und auch die Prämienhöhe für einzelne Maßnahmen, die vor allem im Hinblick auf die Effizienz entscheidend sein kann, wurde nicht festgelegt, sondern wird von einer Arbeitsgruppe ausgearbeitet, in der das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die Länder zusammenarbeiten. Insofern steht die Türe für eine ambitioniertere GAP offen, aber BMEL und Länder müssen noch hindurchgehen.

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The Council’s position on the CAP 2020 green ambition: Worse than you thought

2. Oktober 2020

This post was written by Sebastian Lakner and Guy Pe’er (guy.peer@idiv.de)

In the following, first blog-post in a series of three, we evaluate the Council conclusions of early September 3, 2020 against the current CAP (2014-2020), looking into some of the details that were released by the Germany presidency. Especially, some of the most important environmental criteria in the CAP-proposals of 2018 (e.g. GAEC 9 and Eco-schemes) seem to be largely disarmed, coming back to an even weaker version of Greening. The Council-conclusions have already been commented, e.g. by Alan Matthew or on Arc2020, however we will add to the debate by contrasting the Council conclusions with figures from the actual CAP-period. A lot of black smoke seems to hide an attempt to maintain or even expand the “errors” that have led to the failure of Greening and to the large-scale misspending of taxpayers’ money over the current funding period (Scown et al. 2020 in One Earth).

A second post will examine the policy process and its consequences for the CAP in the long run. We will discuss the role of the German presidency in trying to minimize conflicts with farm lobbies through setting a lowest possible denominator, instead of showing leadership in moderating an in-depth, balanced negotiation process.

A third post in the series will focus on solutions, such as a phasing-in-model for Eco-schemes that could resolve some of the problems (e.g. for Eastern Member States) and may aid compromise-finding.

Antique mountain lodge for milk-farmers in Norway
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Corona und Landwirtschaft: Was können wir aus der Krise lernen?

21. Mai 2020

Im folgenden Meinungsbeitrag möchte ich fünf Hypothesen herausarbeiten, an welchen Stellen wir unter Umständen bereits aus dem bisherigen Verlauf der Corona-Krise und dem Lock-down etwas im Hinblick auf die Landwirtschaft und die Agrarpolitik lernen können. Die Diskussionen um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Landwirtschaft laufen bereits einige Wochen, seit Mitte März gibt es etwas mehr Informationen, allerdings bleiben wichtige Fragen weiterhin mit großer Unsicherheit behaftet. Trotzdem will ich einige Hypothesen präsentieren und Faktoren herausarbeiten, die Einfluss der Corona-Krise auf die Landwirtschaft entscheidend sein werde.

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Auswirkungen der Corona-Krise auf die landwirtschaftliche Produktion: Eine erste Annäherung

18. März 2020

Die Corona-Krise hat Deutschland Mitte März fest im Griff. Inzwischen sind viele Betriebe und Behörden geschlossen, viele Menschen arbeiten im Homeoffice. Die Ansteckungszahl liegt inzwischen (16.03.2020) bei knapp 7.200 und hat Steigerungsraten von ca. 25% in der ersten Märzhälfte (vgl. FAZ 18.03.2020). Inwieweit ist die Landwirtschaft von der Krise betroffen und welche Auswirkungen sind erwartbar? In meinem Blogbeitrag werde ich erste Überlegungen anstellen, die sich teilweise schon mit Beobachtungen decken. Der Zweck ist zunächst, Informationen zu den möglichen Auswirkungen auf die Produktion bereit zu stellen. Ich hoffe jedoch auch, dass andere Experten und Praktiker diesen Betrag ergänzen und ggf. auf weitere mögliche Probleme und Herausforderungen hinweisen.

Mein erstes, vorläufiges Fazit besteht darin, dass die Saisonarbeitskräfte vor allem im Obst- und Gemüsebau sowie in arbeitsintensiven Produktionszweigen eine große Herausforderung darstellen. Des weiteren gilt (was für andere Branchen bereits seit Tagen als Achillesferse identifiziert wurde), dass der internationale Handel und der Import von Agrargütern von großer Bedeutung für eine sichere Versorgung in Deutschland ist. Insgesamt erscheint mir die Agrarproduktion für 2020 v.a. im Ackerbau als eher ungefährdet. In der Landwirtschaft steuern wir wahrscheinlich auf eine zwar schwierige, aber machbare Situation zu. Lediglich die arbeitsintensiven Betriebszweige müssen sich auf größere Herausforderungen einstellen.

Valparaiso2016a

Der Hafen von Valparaiso in Chile: Wichtiger Umschlagplatz von Agrargütern

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