Welche Agrarpolitik soll mit Steuergeldern gefördert werden?

Artenreiches Grünland bei Dresden - gefördert über KULAP Sachsen mit 204 €/ha
Spätestens in der jetzigen Krise tritt ein, was sich bereits vor der Wahl Angela Merkel (CDU) 2005 erwartet worden war: Die Rückkehr der „guten alten Klientelpolitik“ für Landwirte. Die Regierung stürzt sich in Aktionismus, der angeblich den von niedrigen Milchpreisen gebeutelten Milchbauern helfen soll. So soll die Besteuerung des Agrardiesels sinken, daneben war schon auf dem letzten EU-Gipfel im November 2008 ein Milchfond beschlossen worden, der die Wirkungen des ebenfalls beschlossenen Quotenausstiegs abfedern soll.
Ein Blick auf die Details zeigt, dass vor allem eine bestimmte Gruppe von Landwirten von diesen Maßnahmen profitiert. Und hier darf man sich getrost die Augen reiben: Große Betriebe und Ackerbaubetriebe sind Profiteuere der Maßnahme, während kleine Landwirte mit viel Grünland eher verlieren. Daneben dürften aus Landwirte, die viel an Agrarumweltprogrammen teilnehmen, also für die gezahlten Subventionen auch tatsächlich eine Gegenleistung erbringen, zu den Verlierern gehören, da Agrarumweltprogramm mit dem neuen Milchfond in Konkurrenz um die finanziell knappen Ressourcen stehen.

Eggen mit 22 cent/l Diesel gefördert - die Möwen freut das, den Steuerzahler wohl kaum
War die politische Linie der großen Koalition bislang lediglich diffus und wiedersprüchlich, so kommt seit Ende des letzten Jahres angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes wieder die gute alte Klientelpolitik der Konservativen für „ihre“ Ackerbauern zum Vorschein. Während Merkel und Aigner auf Europäischer Ebene der Aufstockung der Quote zustimmen, verteilen sie zu Hause milde Gaben, die angeblich den Milchbauern das Überleben sichern sollen.
Betrachtet man die deutsche Agrarstruktur, so kann die Annahme getroffen werden, dass vor allem kleinere Milchviehbetriebe Probleme mit dem niedrigen Milchpreis haben. Dies mag nicht immer zutreffen, allerdings gibt es Studien, die zeigen, dass die viel beschriebenen „economies of scale“ (Größenvorteile) in der Praxis zu einer höheren Effizienz im ökonomischen Sinne führen. Allerdings bleibt bei dieser Effizienz-Betrachtung häufig die gesellschaftlichen Leistungen der kleinen Grünlandbetriebe z.B. im Bereich der Biodiversität unberücksichtigt. Wenige Studien waren bisher in der Lage, negative Outputs auf der Umweltseite, wie z.B. Auswaschung von Nitrat in das Grundwasser oder auch positive Outputs wie die Erzeugung von artenreichem Grünland zu berücksichtigen.
Kleinere Grünland-Betriebe befinden sich grob gesagt vor allem in Süddeutschland (Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern), wo sich auch die Region mit dem höchsten Grünland-Anteil befinden, so dass eine Beschneidung der Agrarumweltprogramme zugunsten eines Milchfonds diesen Betrieben potenziell schadet.
Wie wirkt nun die Erstattung des sog. „Agrardiesels“ im einzelnen. Schon das Ettikett täuscht über die realen Verhältnisse, denn derselbe Agrardiesel, der in Traktoren verfahren wird, kann auch an jeder x-beliebigen Tankstellen für jeden x-beliebigen PKW mit Dieselmotor getankt werden. Das Festhalten an derartigen Begriffen knüpft an die Tradition der alten EU-Agrarpolitik an, für dieses und jenes schwammige Begriffe zu erfinden, die einfache Tatbestände wie die Vergabe von Wahlkampfgeschenken verschleiern. Auch dies ist ein Merkmal der alten Klientelpolitik im Agrarbereich. Gesellschaftliche Leistung für derartige Subvention: Fehlanzeige.
Bisher wurde der Agrardiesel beim Kauf normal mit 47 cent/l besteuert, allerdings konnten sich Landwirte 22 cent/l am Ende des Jahres in Abhängigkeit des individuellen Verbrauchs erstatten lassen. Die ersten 350 Euro des Antrages wurden nicht erstattet (der sog. Selbstbehalt) und die Obergrenze der Erstattung lag bei 10.000 Euro. Dieser Mix an Regelungen ergab am Ende eine durchschnittliche Besteuerung des Agrardiesels von 25 cent/l. Dies bleibt auch so, nur der Selbstbehalt und die Obergrenze entfallen, insofern ist auch das Gerede einer Absenkung des Steuersatzes ein Etikettenschwindel.
Dass die Maßnahme wenig für die Milch-Landwirte bringt, zeigen zwei einfache Rechnungen von Lutz Ribbe von Euronatur:
1.) Was wird für die kleinen Landwirte getan? Laut Zahlen des von Thünen Institutes haben Betriebe mit kleinen Herden (<50 Kühe) kosten von 45 cent/kg, Betriebe mit größeren Beständen (>50 Kühe) haben Vollkosten von 35 cent/kg. Zur Zeit bewegt sich der Milchpreis zwischen 20 und 25 cent/kg, so dass für einen kostendeckenden Preis 20 cent/kg fehlen. Durch den Wegfall des Selbstbehaltes von 350 Euro könnten umgelegt auf den Liter Milch somit 1.700 kg Milch kostendeckend produziert werden, was laut ZMP dem Viertel der Jahresleistung einer einzigen Kuh (7.000 kg/Jahr) entspricht. Die restlichen 9 Monate muss die Kuh zu einem Sonderangebotspreis produzieren, ebenso der Rest der Herde.
2.) Wenn man das gesamte Fördervolumen von 285 Mio € auf die rund 27 Mrd kg produzierter Milch in Deutschland umlegen würde, so ergibt sich eine Entlastung von 1 cent/ kg Milch in Deutschland.
Beide Rechnunge zeigt, dass es keinen Sinn macht, gegen eine Quotenkürzung an zu subventionieren. Neben der Fragwürdigkeit der gesamten Regeleung, die allerdings in vielen EU-Nachbarstaaten existiert, ist an dieser Maßnahme vor allem der Wegfall der Obgrenze zu kritisieren. Laut Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes verbrauchte die Landwirtschaft im Jahr 2007 1,600 Mio t Diesel, was umgerechnet etwa 1.878,93 Mio l Diesel entspricht. Auf die Fläche von 16 Mio ha umgerechnet ergibt das einen durchschnittlichen Verbrauch von 111 l/ha in Deutschland. Hieraus wird deutlich, dass vor allem Betriebe größer 90 ha in der Vergangenheit mit einer eingeschränkten Erstattung zu rechnen hatten. Und genau diese Betriebe profieren von der Maßnahme.
Auch die Liquiditätshilfen und der frühere Auszahlungstermin der EU-Direktzahlungen helfen nur kurzfristig, weil bei derart niedrigen Preisen auf manchen Milchvieh-Betrieben systematisch zu wenig Geld verdient wird, Liquidität hin oder her.
Und noch etwas erscheint angesichts der politischen Großwetterlage höchst fragwürdig: Ackerbaubetriebe dürften von der Maßnahme mehr profitieren als Grünlandbetriebe, weil im Ackerbau durch die zahlreichen Bearbeitungsgänge der Ackerfrüchte viel mehr Diesel verfahren wird. Diese Art der Klientelpolitik ist vor allem deshalb pikant, da in den letzten Jahren viele Milchvieh-Betriebe Sonnleitner und seinem „Deutsche Bauernverband“ (DBV) den Rücken gekehert haben und in den neu gegründeten „Bund Deutscher Milchviehhalter“ (BDM) eingetreten sind. Dem Bauernverband wurde von jeher nachgesagt, Ackerbauern tendenziell zu bevorzugen, was sich auch daran zeigt, dass die Proteste vom DBM und der oppositionellen „Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft“ (AbL) ausgingen, und Sonnleitner eigentlich nur auf der Bildfläche erschien, wenn für die Presse ein Foto mit Seehofer oder Aigner zu holen war. Auch von dem Hungestreik vor dem Bundeskanzleramt distanzierte sich Sonnleitner, dabei handelt es sich hier tatsächlich um vom niedrigen Milchpreis betroffene Landwirtinnen. Auch Merkel hat das Gespräch mit den hungernden Landwirtinnen vor dem Kanzleramt verweigert, denn mit Demonstratinnen wollte sie nicht reden. Dass sie später mit anderen (ausgesuchten?) Milchbäuerinnen redete, sollte zeigen, dass sie zumindest nicht völlig mauert. Andererseits war zum Gespräch der Bauernverband und nicht vom Bund Deutscher Milchviehhalter eingeladen. Merkel redet also mit der alten Bauern-Lobby und nicht mit den Betroffenen. Hierzu passt auch die verzögerte Veröffentlichung der Hauptempfänger von EU-Subventionen.
Daneben macht sie nun Klentelpolitik für großer Ackerbaubetriebe, während viele Milchbauern ums Überleben kämpfen. Das politische Signal der Maßnahme ist ein Zeichen von Ignoranz gegenüber den sozialen Verwerfungen des beschlossenen Quotenausstiegs.
Mittelfristig stellt sich auch im Hinblick auf die nächste EU-Agrarreform 2013 die Frage, wie nachhaltig diese Art der Unterstützung ist. In anderen politischen Konstellationen und bei notorisch knapper Haushaltslage dürften dieses Wahlkampf-Geschenk mittelfristig einer Kürzung zum Opfer fallen. Da Subventionen sich mittelfristig nur aufgrund von gesellschaftlichen Gegenleistungen rechtfertigen lassen, ist es eine strategische Notwendigkeit darüber nachzudenken, welche gesellschaftlichen Leistungen der Milchbauern erscheinen der Politik förderfähig und dem Steuerzahler erklärbar.
Dieses Kriterium trifft z.B. auf die Agrarumweltprogramme zu. Da Agrarumweltprogramme seit 2005 tendenziell gekürzt wurden, dürfte eine stärkere finanzielle Austattung solcher Programme, wie z.B. die beschlossenen Anhebung der Sommerweide-Prämie westentlich nachhaltiger sein, als die umweltpolitisch ohnehin fragwürdige Förderung von Kraftstoff.