Bauernproteste: EU-Kommission schreddert Umweltstandards in der Landwirtschaft

2. April 2024

Beitrag von Sebastian Lakner & Norbert Röder

Landwirt:innen protestieren in ganz Europa, und inzwischen hat die praktische Agrarpolitik auf die Proteste reagiert. Die Reaktion der EU-Kommission besteht darin, die Umweltstandards, die jeder Empfänger von Direktzahlungen (= Subventionen) einhalten muss, deutlich abzusenken und damit ihrer Wirkung zu berauben. Insgesamt beobachten wir spätestens seit Anfang des Jahres 2023 in Brüssel ein massives „umweltpolitisches Rollback“. Die wesentliche Veränderung besteht darin, dass seit diesem Zeitpunkt die Europäische Volkspartei (EVP), Nationalisten Rechtsextreme, sowie einige Liberale gegen jede Art von Umweltpolitik polemisieren. Zunächst blieb die von Frau von der Leyen geführte EU-Kommission auf Distanz, doch spätestens seit Jahresbeginn 2024 rudert die Kommission umweltpolitisch deutlich zurück. Die geplanten Anpassungen könnten umweltpolitisch einen Rückschritt von etwa 10-15 Jahren bedeuten, was für die Umwelt nicht folgenlos bleiben wird. Im folgenden Beitrag gehen wir auf die Gesetzesvorhaben und Anpassungen ein und versuchen, mögliche Folgen zu skizzieren.

Zu sehen ist eine Blühfläche mit zahlreichen farbigen Blüten, vor allem rote Mohnblumen, im Hintergrund hessisches Bergland.
Brache als Blühfläche 2019 bei Germerode, Landkreise Werra-Meißner, Hessen (Copyright: S.Lakner)
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Bauernproteste: Zur Rolle der Bürokratie in der Landwirtschaft

25. März 2024

Ein weiteres Thema auf den Bauernprotesten ist das Thema Bürokratie in der Landwirtschaft: Im folgenden Blog versuche ich eine Einordnung des Themas Bürokratie, soweit das als Nicht-Jurist möglich ist. 

Bürokratie oder ein einordnender Blick auf den Papierkram (Copyright. Shutterstock)
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Bauernproteste: Strukturwandel und die technologische Tretmühle

16. März 2024

In den letzten Wochen ist viel über die Proteste von Landwirt:innen geschrieben worden. Zuerst war eine heftige Protestwelle in den Niederlanden (2019-2022), auch in Deutschland gab es bereits 2019 Proteste, seit dem Agrardiesel-Beschluss der Bundesregierung am 12.Dezember 2023 ging es hier mit größerer Heftigkeit los. Auch in anderen Europäischen Staaten, vor allem in Brüssel wird seit einigen Wochen demonstriert. Dabei entlädt sich in Einzelfällen der Frust mit Gewalt, zu beobachten vor allem in Brüssel, auch einzelne Demonstrationen in Deutschland sind inzwischen aus dem Ruder gelaufen. 

Es wird inzwischen auch deutlich, mit welchen Maßnahmen die Politik glaubt, diese grundlegende Unzufriedenheit bedienen zu können oder zu müssen, auf EU-Ebene, aber auch in Deutschland. Wenn man versucht, die Gründe der Demonstrationen vor dem Hintergrund agrarökonomischer Theorie zu reflektieren, so wird schnell deutlich, dass viele der Forderungen zwar nachvollziehbar, aber kaum erfüllbar sind. In den nächsten drei Blogposts geht es um mögliche Reaktionen im Bereich 1) Strukturwandel, 2) Marktmacht und 3) Bürokratieabbau.

Im erste von drei Blogbeiträgen beschäftige ich mich nur mit dem Thema Strukturwandel: 

Dargestellt ist ein Traktor aus den 1950er Jahren vor einem landwirtschaftlichem Gebäude und der Werbung für Urlaub auf dem Bauernhof
Veraltete Agrartechnik am „Hof Alte Zeiten“ als Hingucker für agrarnahe Dienstleistungen
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Streit um den Agrardiesel: Der Versuch einer Einordnung

4. Januar 2024

Das neue Jahr 2024 beginnt mit weiteren agrarpolitischen Protesten in Berlin und anderen Städten: Landwirt*innen sind aufgebracht und haben Blockaden angekündigt, da die Bundesregierung eine Streichung der Erstattung von Agrardiesel und der Ausnahme von der KfZ-Steuer beschlossen hat. Aktuell deutet sich an, dass die Ampel ihre Kürzungspläne teilweise zurücknehmen könnte (siehe ZEIT online 04.01.2024, oder BMEL Pressemitteilung vom 04.01.24), die Proteste am 08.01.2024 werden nach Aussage des Deutschen Bauernverbandes jedoch stattfinden. Im folgenden Beitrag nehme ich eine Einordnung dieser Streichung der Agrardieselerstattung vor und stelle die Frage, mit welcher Begründung perspektivisch Subventionen sinnvoll sein könnten.

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Renaturierungsgesetz: Warum wir echte Renaturierung brauchen

7. November 2023

Blogpost von Sebastian Lakner, Josef Settele, Daniel Hering & Guy Pe’er

Im November 2023 verhandeln Parlament, EU-Kommission und Rat im „Trilog“ über die finale Version des Nature Restoration Law (Renaturierungsgesetz, NRL). Den Verhandlungen um den Kommissionsentwurf (EU-Kommission 2022) ging eine lange und teilweise emotional geführte Debatte voraus: Am 12.Juli 2023 stimmte das Parlament mit knapper Mehrheit (336:300) für das Gesetz, brachte aber gleichzeitig viele, den Kern des Gesetzes betreffende Änderungsanträge ein (vgl. EP 2023). Der Ministerrat entwickelte am 20.Juni 2023 einen Standpunkt zum Gesetz, allerdings mit weniger Änderungsanträgen (vgl. Ministerrat 2023). Auch die Wissenschaft hat sich im Frühsommer aktiv an der Debatte beteiligt und einen Brief geschrieben, in dem einige Argumente vorgetragen wurden und den EU-weit 6.000 Wissenschaftler*innen unterschrieben haben (Pe’er et al. 2023). In der Öffentlichkeit spricht sich wiederholt eine Mehrheit für mehr Naturschutz aus, so z.B. 2019 96% von 2.700 Befragten (EU-Kommission 2019).

Im folgenden Text erklären wir zunächst, warum viele der Änderungsanträge den Zielen des Renaturierungsgesetzes fundamental widersprechen und welche Aufgaben im Naturschutz insgesamt auf uns zukommen – unabhängig davon, welchen Standpunkt man zum konkreten Gesetz einnimmt. (Der Text ist eine gekürzte deutsche Version des vorangegangenen englischen Blogposts, in dem es weitere Beispiele aus dem NRL gibt.)

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What remains from the Nature Restoration Law, and what can still be saved?

24. Oktober 2023

By Sebastian Lakner & Guy Pe’er (iDiv Leipzig)

On 12 July 2023, after a long and intense debate, including a statement by many scientists (see 10.07.23) the EU Parliament voted in favour of the Nature Restoration Law (NRL) as proposed by the EU Commission (See original draft here). In many media and among some NGOs, the vote was celebrated as a great success, in light of the fear that the NRL might be rejected altogether by the Parliament. Beyond the fact that the law passed with a meagre majority (336:300) compared to broad societal support (e.g., 96% of 2,700 respondents to a Eurobarometer survey), we find it important to assess the current status of the law given the many amendments that were proposed for introduction into the law proposal, and which define the starting point of the negotiations. Hundreds of amendments were voted by the Parliament (see document with proposed changes by the EP), the content of which would imply considerable weakening of the law. The Council of environmental Ministers voted for many amendments as well (see document here).

In view of the ongoing trilogue negotiations among the Parliament, Council and the Commission, here we discuss key elements of the proposed amendments, and their implications if accepted in the final form of the NRL. We demonstrate that much is already damaged, but there is still a lot at stake: some of the proposed amendments, if accepted, could significantly weaken the NRL. We focus this blog on amendments that we feel are most critical and explore some details, how NRL was weakened through amendments, mostly by the parliaments position.

Mutterkühe bei der Bewertung des artenreichen Naturschutzgebietes Gärtnergasse, Lübeck.
Mutterkühe bei der Bewertung des artenreichen Naturschutzgebietes Gärtnergasse, Lübeck.
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Nature Restoration Law: Nature needs more priority!

29. Juni 2023

There is an ongoing debate on the EU’s nature restoration law. In two weeks (11/12th July 2023), the EU-parliament will most probably decide on the law. So far, it is unclear, whether the law will pass or not. The debate was accompanied by a huge and loud political campaign of the European Peoples Party (EPP) against the Nature Restoration Law (NRL). However, a more in-depth look into the EPP’s arguments suggests, that many of the arguments are at least incomplete or sometimes even false. We have published a paper of scientists, which was supported EU-wide by > 3.300 scientists of all disciplines. The following post is an oppinion piece I wrote in the German newspaper Tagesspiegel, where I outline three main arguments, why we need more political priority for nature conservation, which can be provided by the Nature Restoration Law. For more detailed arguments and sources, read our open letter at zenodo.

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Anmerkungen zur Brachen-Entscheidung des BMEL 

16. August 2022

Im folgenden Beitrag werden ich mich mit der Entscheidung des BMEL vom 06.08.2022, GLÖZ 7 (Fruchtwechsel) und GLÖZ 8 (Brachflächen) in 2023 auszusetzen, beschäftigen und der Frage nachgehen, welche Motive möglicherweise hinter der Entscheidung und hinter der strikten Ablehnung der Brachen durch Teile des Berufsstandes stecken. Meine These ist, dass wir einerseits ein fachliches Vermittlungsproblem haben. Andererseits legt die umweltpolitisch fragwürdige Entscheidung des BMEL die ganze systematische Schwäche der aktuellen GAP 2021-2027 offen. Die Direktzahlungen sind erneut der Kern des Problems. Es wäre sinnvoll, die Reformdebatte für die GAP nach 2027 jetzt zu beginnen. 

Brache vor Raps im Landkreis Göttingen
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Ukraine-Krieg und Nahrungsmittel-Krise: Über Vor- und Nachteile der Produktion auf Brachen

19. April 2022

Der Krieg in der Ukraine läuft seit dem 24.Februar 2022. Eine Folge des Krieges besteht im Ausfall von Getreide-Exporten auf den Weltmarkt (wie bereits im Blogpost vom 09.03.2022 beschrieben). Die fehlende Getreidemengen aus der Ukraine könnten 50-60 Mio. t betragen. Wenn man unterstellt, dass Russland seine Getreide-Exporte zusätzlich einschränkt, so könnten 100 Mio. t Getreide in 2022 fehlen, was erhebliche Folgen für die Ernährungssicherheit im Nahen Osten, den Margreb-Staaten und Ost-Afrika hätte. Seit Beginn der Debatte wird immer wieder gefordert, die ÖVF-Brachen umzubrechen und für die Produktion von Nahrungsmitteln zu nutzen. Im folgenden Blogbeitrag werde ich mit Hilfe empirischer Befunde und Zahlen darlegen, warum der Mengeneffekt dieser Option recht übersichtlich ausfällt, die ökologischen Folgen jedoch erheblich sind.

Brache auf marginalem (schattigen) Standort bei Göttingen, 2015
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Tackling the short-term food-crisis in developing countries – open letter to the EU-Commission

12. März 2022

Ukraine-Crisis impacts on food security: tackling the short-term shock must be done with a vision in mind of the larger-scale and longer-term threats of the Climate- and Biodiversity-Crises

Together with Guy Pe’er and Jeroen Candel, we have written an open letter to the EU-Commission offering our help to tackle the three crises.

The scientific community has always had the role to support society and its needs. In such a critical time, every scientist – beyond expressions of personal solidarity – seeks to offer help within the context of one’s professional expertise. We need to address the short-term effects in 2022 on the world market specifically for developing countries and we should focus the debate on a) the measures which have an effect, b) where the state has regulatory power and c) markets do not undermine the effects of measures. This is highly demanding for policy-makers and time is running, we need to address the problems until the next harvest in July.

We stand ready to support you with relevant evidence and advice where required, and call for an urgent meeting to discuss the scenarios ahead and their short-, mid- and long-term implications.