Auf diesem Blog wurde bereits im Juni 2015 die grundsätzliche Frage gestellt, wie Landwirtinnen und Landwirte sich beim Greening entscheiden und wie sie das Konzept von Greening und der ökologischen Vorrangfläche auf ihrem Betrieb ausgestalten. Die Quintessenz eines Artikels und einiger Überlegungen sowie auch einer Reihe von andere Untersuchungen war, dass Brachen, Zwischenfrüchte und Leguminosen deutliche Kostenvorteile gegenüber einer klassischen Biodiversitätsmaßnahme wie einem Blühstreifen oder Landschaftselemente haben. Des weiteren war zu erwarten, dass die Anmeldung von Landschaftselementen aufgrund von rechtlichen Unsicherheiten und einer gegenteiligen Strukturpolitik vor 2013 eher unwahrscheinlich sein würde.

Brache bei Landolfshausen, Landkreis Göttingen
Entwicklung von Leguminosen und Brache 2015
In den Sommermonaten wurden mehrere Pressemitteilungen und Berichte veröffentlicht, die erste Effekte von Greening in der Praxis zeigen. Das Statistische Bundesamt hat mit einer Pressemitteilungen vom 03.08.2015 vorläufige Anbauzahlen veröffentlicht. Aus den Daten wird deutlich, dass zunächst sowohl der Anbau von Leguminosen (+74%) als auch die Brache in 2015 (+62%) deutlich angestiegen sind. Die folgende Abb. 1 zeigt die Zuwächse bei Leguminosen von 2014 auf 2015.

Abb.1: Änderung des Leguminosen-Anbaus durch die Einführung von Greening 2015 (Quelle: nach Daten des Stat. Bundesamtes 2014, 2015)
Der Schwerpunkt dieser Entwicklung ist deutlich in Ostdeutschland: Hier liegt der Anteil der Leguminosen in Thüringen bei 3,2%, bei den anderen Ostländern zwischen 2,0 und 2,7% der gesamten Ackerfläche. In den Westländern, z.B. in Niedersachsen liegt er dagegen nur bei 0,5%. Leguminosen gelten vor allem in der Ernte als technisch anspruchsvoll. Offensichtlich sind die Ostbetriebe aufgrund ihrer Größe und der entsprechenden Erntetechnik eher in der Lage, Leguminosen anzubauen. Betrachtet man die langfristige Entwicklung, so erreichen die Leguminosen immer noch nicht den Anbauumfang, den sie z.B. 2004 noch in Deutschland hatten. Vor allem der Erbsen-Anbau ist seit 2004 drastisch eingebrochen (Abb.2):
Durch den Anstieg wurde 2015 wieder annähernd das Niveau des Leguminosen-Anbaus im Jahr 2005 erreicht (95%).
Einen ähnlichen Anstieg (+62%) erlebten die Brachen, die durch die Abschaffung der Stilllegung im Zuge des Health Check 2009 zurück gegangen sind. Und auch hier war das Niveau schon mal deutlich höher: 2015 sind deutschlandweit nur 37% der Fläche von 2005 als Brache ausgewiesen.
Fazit
Insgesamt ist sehr fraglich, ob die von Greening 2015 angeschobene Entwicklung besonders nachhaltig ist. Wenn es Anreize für den Anbau von Leguminosen gibt, werden Landwirte diesem Anreiz folgen, zumal andere Varianten der ökologischen Vorrangfläche mit höheren Kosten verbunden sind. Sobald der Anreiz jedoch wegfällt, dürften beide Entwicklungen zusammenbrechen.
Des weiteren stellt sich auch die Frage, welcher Einfluss der Leguminosen-Anbau auf das tatsächlich Angebot am Markt hat und wie sich in der Folge Preise entwickeln. Es ist durchaus denkbar, dass ein durch Greening verursachtes Überangebot die Preise für Leguminosen auf ein niedriges Niveau absenkt. Über den Sommer (Juni – Sept 2015) lagen lt. AMI die Preise von Ackerbohnen und Erbsen bei ca. 150-185 €/t, was noch oberhalb des niedrigen Niveaus der Jahre 2009/2010 ist. Hier waren Preise von 100-140 €/t zu beobachten. Es wäre auch denkbar, dass viele Landwirte die Leguminosen nicht ernten, sondern in den Boden einarbeiten. Diese Entwicklung sollte weiter beobachtet werden.
Meldungen der ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
Das Statistische Landesamt Niedersachsen hat die Daten der niedersächsischen Landwirte zur Anmeldung von ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) sehr detailliert ausgewertet (vgl. Dahl 2015, im Statistischen Monatsbericht 08/2015). Zunächst zeigt sich, dass Brache und Zwischenfrüchte die wichtigste Flächennutzung im Umweltinteresse sind (Abb. 3):

Abb. 3. Meldungen von ökologischen Vorrangflächen in Niedersachsen
(Quelle: eigene Berechnung nach Dahl 2015)
Hierbei fällt auf, dass Zwischenfrüchte, Brache und Leguminosen 95% der ÖVF ausmachen. Der hohe Anteil der Zwischenfrucht ist wenig überraschend. Für Zwischenfrucht müssen die Betriebe eine Sommerfrucht anbauen, vor allem im Zusammenhang mit Zuckerrüben erscheint dies anbautechnisch und ökonomisch sinnvoll, was auch mit unseren eigenen Überlegungen in Natur & Landschaft von Juni 2015 übereinstimmt.
Dahl hat die Landkreise Niedersachsens in sechs Produktionsregionen eingeteilt, wobei 11 Landkreise keinem dieser Produktionsregionen klar zugeordnet werden konnten. Die folgende Abb. 4 zeigt die regionale Meldung von ökologischen Vorrangflächen:
Eine regionale Aufschlüsselung nach Anbau-Regionen zeigt, dass die Entscheidungen sich deutlich unterscheiden. Überraschend ist eher der hohe Anteil der Brache in den Ackerbau-Regionen Ost und Süd (20% und 23%). Offensichtlich wird diese Variante gewählt, wenn die Betriebe nicht über Zuckerquote verfügen.
Die Untersaat scheint dagegen am ehesten auf Grünland-Standorten (Grünland-Küste sowie Altes Land, und hier v.a. Rotenburg/Wümme, Stade und Cuxhafen) verbreitet und mit dem Anbau von Futtergetreide kombinierbar.
Eine ähnliche Statistik liegt für das Bundesland Sachsen-Anhalt vor (Abb. 5):

Abb. 5: Meldungen von ökologischen Vorrangflächen nach Regionen in Sachsen-Anhalt (Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Sachsen-Anhalt 2015)
Hier wird deutlich, was bereits oben darstellt wurde: Die ostdeutschen Betriebe nutzen stärker den Anbau von Leguminosen, da die Betriebe größer sind und (vermutlich) über bessere Erntetechnik verfügen. Was die Nutzung der Brache angeht ist das Bild in Sachsen-Anhalt anders: Die Brache wird vor allem in den Bezirken Stendal und Salzwedel als Regionen mit etwas weniger guten Standorten und einer größeren Verbreitung von Grünland genutzt.
Auf den sehr guten Schwarzerde-Standorten in den Bezirken Halberstadt und Wanzleben (Börde und Börde Hügelland) findet sich dagegen eine durchschnittliche Nutzung von Brache. Die Nutzung von Leguminosen ist dagegen v.a. in der Region Halberstadt sehr stark.
Sowohl in Niedersachsen als auch in Sachen Anhalt wird auch deutlich, dass kaum Landschaftselemente wie Hecken und Solitärbäume oder auch Streifenelemente wie Blühstreifen gemeldet werden.
- Teilweise mag dies mit Empfehlungen von Seiten der Ämter zu tun haben, die empfohlen haben hauptsächlich Zwischenfrüchte, Brache und Leguminosen zu nutzen.
- Es kann des weiteren auch mit der rechtlichen Unsicherheit und fragmentierten Eigentumsverhältnissen zusammenhängen. Wenn Bäume oder Hecken gemeldet werden, so müssen sie im Eigentum des Betriebes sein. Auch diese Unsicherheit dürfte den geringen Anteil erklären.
- Die Struktur- und Förderpolitik hat in den letzten 20 Jahren her dazu geführt, dass Landschaftselemente, da sie nicht förderfähig waren, aus der Betriebsfläche herausgenommen wurden. Dies erklärt unter Umständen auch den geringen Anteil an Landschaftselementen.
- Eine Anlage von Landschaftselementen ist über Groening-Komponente (30% der Direktzahlungen, ca. 85 €/ha) ökonomisch überhaupt nicht darstellbar, da diese Maßnahme Fläche für lange Zeit festlegt. Für die Anlage einer Hecke sind Investitionen erforderlich und es fällt jährlicher Pflege an. Greening ist somit als Instrument für die von Naturschutzseite geforderten Anlage von Landschaftselementen vollkommen unzureichend.
- Auch Blühstreifen könnten einen substanziellen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zur Vernetzung von Landschaftselementen leisten. Doch auch Blühstreifen erweisen sich in der Praxis offensichtlich (trotz der zusätzlichen Förderung in der II. Säule) als unattraktiv. Auch für dieses Element der Erhaltung von Biodiversität scheint Greening kein geeignetes Instrument zu sein.
Die Ergebnisse sind zunächst nur eine Momentaufnahmen für 2015 in zwei Regionen, d.h. es wäre sinnvoll andere Regionen zu untersuchen. Des weiteren ist dies zunächst das erste Jahr der Einführung von Greening. Andererseits erscheint mir ein signifikanter flächenmäßiger Anstieg von Landschaftselementen und Blühstreifen in den nächsten Jahren vollkommen unrealistisch.
Fazit
Landwirte reagieren den Erwartungen entsprechen und nutzen die von der Politik gegebenen Greening-Optionen eher im Sinne der Produktion. Ein sehr begrenzter Effekt auf Biodiversität könnte (je nach Ausgestaltung) von der Brache ausgehen, allerdings ist ein substanzieller Beitrag zur Biodiversität aus diesen empirischen Ergebnissen nicht ablesbar. Die EU-Kommission und die Unterstützer des Greening-Konzeptes müssen sich unangenehme Fragen gefallen lassen. Immerhin werden im Jahr 2015 etwa 1,5 Mrd. Euro an die Landwirte für Greening gezahlt. Selbst die „schärfste“ Biodiversitäts-Maßnahme, nämlich die ökologische Vorrangfläche ist in der Praxis ein zahnloser Tiger: Die Landwirte werden in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt, für Behörden und Landwirte entsteht ein nicht unerheblicher Verwaltungs- und Kontrollaufwand und die Maßnahmen erweisen sich als weitgehend untauglich für den Erhalt der Artenvielfalt in Agrarökosystemen. Die ersten Zahlen der Umsetzung von Greening zeigt deutlich, dass sich die Biodiversitäts-Wirkung in engen Grenzen hält.
Kommentare und Ergänzungen jederzeit gerne, vor allem was die Entscheidung aus Sicht der Landwirte betrifft (!).
Schlagwörter: Ökologische Vorrangfläche, Biodiversität, Brache, GAP-Reform 2013, Greening, Leguminosen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt
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